Update von EBR-Vereinbarungen
Etwa 40% aller Europäischen Betriebsräte wurden bereits vor Inkrafttreten der EBR-Gesetzgebung im September 1996 gegründet. Sie unterliegen nicht der EU-Richtlinie. Viele dieser "freiwilligen" EBR-Vereinbarungen sind heute jedoch nicht mehr zeitgemäß, weil wichtige Aspekte unzureichend geregelt wurden. Sinnvoll ist eine Anpassung an die heutigen Standards sowie eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Arbeit des Europäischen Betriebsrats.
Anpassung an die Standards der neuen EBR-Richtlinie
Viele Europäische Betriebsräte verhandelten bereits vor Verabschiedung der neuen Richtlinie über eine neue EBR-Vereinbarung, um ihre Arbeitsmöglichkeiten zu verbessern. Spätestens mit dem Inkrafttreten der nationalen Umsetzungsgesetze zur neuen EBR-Richtlinie im Juni 2011 stellt sich diese Frage für viele weitere Europäische Betriebsräte ganz konkret. → Weitere Informationen zur neuen EBR-Richtlinie
Nicht in jedem Fall ist eine formelle Kündigung der EBR-Vereinbarung notwendig, oft genügt auch eine schriftliche Ergänzung. Können sich die Vertragsparteien hierauf nicht verständigen, ist die Kündigung jedoch das letzte Mittel. Bei Vereinbarungen, die nach Artikel 6 der EBR-Richtlinie geschlossen wurden, gelten nach Ende des Vertrages automatisch die subsidiären Bestimmungen des jeweiligen nationalen EBR-Gesetzes. Der Europäische Betriebsrat kann auf dieser Basis ohne Unterbrechung weiterarbeiten.
Vorsicht bei Kündigung von Alt-Vereinbarungen
Anders ist die Situation bei "freiwilligen" Vereinbarungen, die nicht der EBR-Gesetzgebung unterliegen. Eine Kündigung kann hier nach Artikel 14 der EU-Richtlinie zur Auflösung des EBR führen, sofern keine anderslautenden Regelungen in der Vereinbarung getroffen wurden. Es wird dann ein Besonderes Verhandlungsgremium gebildet, das drei Jahre lang Zeit hat, eine komplett neue EBR-Vereinbarung auszuhandeln. Während dieser Zeit gibt es keinen Europäischen Betriebsrat.
- Die juristischen Hintergründe sind hier genauer erläutert: → Das Beispiel Hewlett-Packard
- In diesen Fällen wurden die Verhandlungen bereits abgeschlossen: → HSBC und Wärtsilä
EBR-Anpassung nach Fusionen und Übernahmen
Bei Fusionen werden normalerweise zwei vorhandene Europäische Betriebsräte zusammengelegt. In den meisten Fällen wird zuvor noch eine neue EBR-Vereinbarung ausgehandelt, die die verbesserten Standards von Unterrichtung und Anhörung der neuen EU-Richtlinie integriert.
Bei "freiwilligen" Alt-Vereinbarungen kann durch Nutzung von Artikel 13 der neuen EU-Richtlinie eine Auflösung des EBR vermieden werden, wenn sich die Unternehmensstruktur grundlegend verändert, also z. B. bei Fusionen, Übernahmen oder der Abspaltung größerer Unternehmensbereiche. In diesen Fällen kann eine Neuverhandlung der EBR-Vereinbarung erzwungen werden. Es gibt allerdings keine klare Definition, wann dieser Sachverhalt vorliegt. Auch Gerichte haben hierzu noch nie entschieden.
Ergänzende Klauseln können Position der Arbeitnehmerseite beschneiden
Um diesen Rechtsanspruch außer Kraft zu setzen, versuchen vor allem britische und amerikanische Unternehmen, ihren Europäischen Betriebsrat zur Unterzeichnung einer entsprechenden Klausel zu überreden. Zwar wird von der zentralen Leitung häufig argumentiert, es gehe bei diesen Klauseln nur um die Vermeidung eines bürokratischen Prozedere, im Ergebnis zielen sie aber auf die Qualität der EBR-Vereinbarung. → Weitere Informationen zu diesen Klauseln
Unser juristisches EBR-Seminar Einmal im Jahr werden in einem Seminar die juristischen Feinheiten einer EBR-Vereinbarung, die Rechtsprechung zum EBR und die Anwendung der neuen EU-Standards in juristischen Zweifelsfällen behandelt. Einer der Referenten ist Ralf-Peter Hayen, ehemaliger Referatsleiter Recht beim DGB-Bundesvorstand und Verfasser eines juristischen Kommentars zum EBR-Recht. Nächster Termin: 12. bis 15. November 2024. |
Unsere Unterstützung als Sachverständige beinhaltet:
- Analyse der EBR-Vereinbarung hinsichtlich der neuen EU-Standards
- Beratung über die rechtlichen Konsequenzen einer Kündigung
- Entwicklung eines Textentwurfs für eine verbesserte EBR-Vereinbarung
- Ausarbeitung und Beurteilung verschiedener Verhandlungsoptionen
- Moderation der internen Diskussionen, z. B. im Vorfeld der Fusion von zwei EBR-Gremien
- Unterstützung während der Verhandlungen mit der zentralen Leitung
Zwei Beispiele aus unserer Arbeit
Seit Januar 2015 gilt für den US-Automobilzulieferer Dana eine neue EBR-Vereinbarung, die auf den Standards der neuen EU-Richtlinie basiert. Die Zahl der Mandate konnte nahezu verdoppelt werden. Aufgestockt wurde auch der Lenkungsausschuss von drei auf fünf Mitglieder. Seinen Sitz hat der im Jahr 2000 gegründete EBR in Essen (Foto), wo er normalerweise seine Jahressitzung durchführt. Künftig kann jedes Jahr eine zweite Plenarsitzung in einem anderen Land stattfinden. Die zentrale Leitung hat sich verpflichtet, den EBR so frühzeitig zu unterrichten, daß noch eine entscheidungsverändernde Diskussion und Anhörung möglich ist. Die Anhörung hat das Ziel, "möglichst zügig eine einvernehmliche Lösung zu erreichen."
Im Juni 2019 wurde in Danzig eine EBR-Vereinbarung für Collins Aerospace unterzeichnet. Die beiden bisherigen Europäischen Betriebsräte von UTC Aerospace Systems sowie Rockwell Collins werden damit zusammengelegt. Gespräche zwischen den beiden EBR-Gremien hatten im Oktober 2018 in Birmingham begonnen (Foto).
Im Februar 2019 wurden bei einer Sitzung am Flughafen Toulouse Einzelheiten für die Verhandlungen mit der zentralen Leitung festgelegt, die im März 2019 in Brüssel begannen. Unterstützung erhielten die EBR-Mitglieder von der EWC Academy. Das Ergebnis stellt einen Kompromiss zwischen den beiden alten EBR-Vereinbarungen dar. → weitere Informationen
Weitere Beispiele aus den letzten Monaten:
→ Beiersdorf → Alliance Healthcare → Vorwerk → Colt → ZF Friedrichshafen